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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 09.06.2008
Aktenzeichen: 1 Ws 235/08
Rechtsgebiete: NJVollzG
Vorschriften:
NJVollzG § 47 |
2. Es steht im Ermessen der Vollzugsbehörde, im Einzelfall auch niedrigere Sparraten festzusetzen. Im Hinblick auf den Zweck des Überbrückungsgeldes handelt es sich dabei aber um den Ausnahmefall.
3. Langzeitgefangene haben keinen Anspruch darauf, dass die von ihnen zu erbringenden Raten so niedrig bemessen sein müssen, dass das Überbrückungsgeld erst zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt erreicht wird.
4. Es ist auch bei Langzeitgefangenen in der Regel angezeigt, von dem Höchstbetrag der Sparrate in Höhe von 4/7 der Bezüge auszugehen, weil auch bei ihnen alle denkbaren Risiken berücksichtigt werden müssen, die ein rechtzeitiges Ansparen verhindern können, wie etwa Arbeitsausfall, Arbeitsverweigerung, Krankheit oder Ausgaben vom Überbrückungsgeld.
Oberlandesgericht Celle Beschluss
1 Ws 235/08 (StrVollz)
In der Strafvollzugssache
wegen Sparrate für das Überbrückungsgeld
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Beteiligung des Zentralen juristischen Dienstes für den niedersächsischen Justizvollzug durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 9. Juni 2008 beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts H. vom 19. März 2008 wird als unbegründet verworfen.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 300 EUR festgesetzt.
Die Kosten des Rechtsmittels hat der Antragsteller zu tragen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller verbüßt mehrere Freiheitsstrafen in der JVA S.. Der gemeinsame Zweidrittelzeitpunkt wird am 26. Oktober 2009 erreicht sein, das Strafende ist derzeit auf den 28. Dezember 2011 notiert. Der Antragsteller wurde am 4. Juli 2007 von der JVA W. in die JVA S. verlegt. Er hatte bereits in der JVA W. das festgesetzte Überbückungsgeld in Höhe von 1.380 EUR auf einem hierfür eingerichteten Sparkonto vollständig angespart. Das Sparkonto wurde jedoch von einer Rechtsanwältin, die im Besitz einer Vollmacht des Antragstellers war, aufgelöst, und das Guthaben von ihr zum Begleichen einer eigenen Forderung einbehalten. Das Überbrückungsgeld muss deshalb seit Oktober 2007 neu angespart werden.
Am 1. Oktober 2007, 9. Oktober 2007 und am 17. Dezember 2007 wandte sich der Antragsteller mit dem Gesuch an die Antragsgegnerin, ihm beginnend ab 1. September 2007 monatliche Sparraten in Höhe von 60 EUR zu bewilligen, so dass sein Überbrückungsgeld zum Zweidrittelzeitpunkt am 26. Oktober 2009 wieder in voller Höhe angespart wäre. Diese Anträge lehnte die Antragsgegnerin mit schriftlichem Bescheid vom 8. Februar 2008 ab. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 12. Februar 2008, den die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 19. März 2008 als unbegründet zurückgewiesen hat.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers. Er rügt die Verletzung sachlichen Rechts und des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 102 NJVollzG i. V. m. 116 Abs. 1 StVollzG). Es gilt zu klären, ob die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung zum Ansparen des Überbrückungsgeldes nach Inkrafttreten des NJVollzG fortbesteht.
2. Die Rechtsbeschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg.
a) Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist unzulässig. Eine Gehörsverletzung kann nur mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden (vgl. OLG Jena VRS 107, 289. OLG Köln VRS 88, 375). Die Begründung der hier erhobenen Gehörsrüge genügt indes nicht den Anforderungen gemäß § 102 NJVollzG i. V. m. § 118 Abs. 2 Satz 2 StVollzG. Danach ist eine Verfahrensrüge nur dann in zulässiger Weise erhoben, wenn "die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben" sind. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig zu erfolgen, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein auf Grund der Rechtsbeschwerdebegründung ohne Rückriff auf die Akten oder sonstige Unterlagen prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen (vgl. OLG Rostock NStZ 1997, 429 bei Matzke. Callies/MüllerDietz, StVollzG, 10. Aufl., § 118 Rdnr. 2). Daran fehlt es hier, weil der Antragsteller in der Rechtsbeschwerdebegründung seinen angeblich unberücksichtigten Sachvortrag nicht mitteilt, sondern insoweit lediglich auf einen früheren Schriftsatz Bezug nimmt.
b) Die Sachrüge ist zwar zulässig erhoben, deckt jedoch keinen Rechtsfehler der angefochtenen Entscheidung zum Nachteil des Antragstellers auf.
aa) Die Strafvollstreckungskammer hat ihre Entscheidung zu Recht auf die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung zum Ansparen des Überbrückungsgeldes (vgl. insbesondere OLG Celle ZfStrVo 1983, 307. OLG Koblenz ZfStrVo 1986, 185. ZfStrVo 1993, 309. OLG Hamburg StV 2003, 403) gestützt. Hiernach gilt im Kern Folgendes: In § 51 Abs. 1 StVollzG ist nicht ausdrücklich geregelt, wie das Überbrückungsgeld zu bilden ist. Aus der Gesetzessystematik der §§ 47, 51 und 52 StVollzG ergibt sich aber, dass die Bildung des Überbrückungsgeldes nachrangig zur Bildung des Hausgeldes und vorrangig zur Bildung des Eigengeldes ist. Dies bedeutet zwar nicht zwingend, dass das Überbrückungsgeld in jedem Fall aus Raten in Höhe von jeweils 4/7 der Bezüge zu bilden ist, bis es die festgesetzte Höhe erreicht hat. Vielmehr steht es im Ermessen der Vollzugsbehörde, im Einzelfall auch niedrigere Sparraten festzusetzen. Im Hinblick auf den Zweck des Überbrückungsgeldes handelt es sich dabei aber um den Ausnahmefall. Es gibt keinen Anspruch darauf, dass die von Langzeitgefangenen zu erbringenden Raten so niedrig bemessen sein müssen, dass das Überbückungsgeld erst zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt erreicht wird. Vielmehr ist es auch bei Langzeitgefangenen in der Regel angezeigt, von dem Höchstbetrag der Sparrate in Höhe von 4/7 der Bezüge auszugehen, weil auch bei ihnen alle denkbaren Risiken berücksichtigt werden müssen, die ein rechtzeitiges Ansparen verhindern können, wie etwa Arbeitsausfall oder -verweigerung, Krankheit oder Ausgaben vom Überbrückungsgeld.
Diese - zum StVollzG entwickelte - Rechtsprechung gilt auch nach Inkrafttreten des NJVollzG entsprechend fort. Weder in § 47 NJVollzG, der nunmehr die Bildung des Überbrückungsgeldes regelt, noch an anderer Stelle des NJVollzG ist vorgeschrieben, dass das Überbückungsgeld ausnahmslos zügig aus Raten in Höhe von jeweils 4/7 der Bezüge zu bilden ist, bis es die festgesetzte Höhe erreicht hat. Zwar könnte der Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 1 NJVollzG: "Als Überbrückungsgeld gutgeschrieben werden Ansprüche ..., soweit sie nicht als Hausgeld gutgeschrieben werden und soweit die nach Absatz 2 Satz 2 festgesetzte Höhe noch nicht erreicht ist.", darauf hindeuten, dass hiermit niedrigere Sparraten als 4/7 der Bezüge ausgeschlossen sein sollen. Zwingend folgt dies jedoch weder aus dem Wortlaut der Regelung noch aus den Gesetzesmaterialien. Diesen lassen sich vielmehr Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber die bisherige Praxis nicht ändern wollte. So heißt es in der Begründung zu der Regelung zum Überbrückungsgeld in § 46 des Gesetzentwurfs der Landesregierung: "Der bisherigen Praxis entsprechend soll auch künftig nicht in jedem Fall der gesamte Teil der Bezüge, der nicht in das Hausgeld einfließt, unmittelbar in voller Höhe in das Überbrückungsgeld einfließen. Vielmehr soll es weiterhin so sein, dass die genannten Bezüge jeweils nur insoweit in das Überbrückungsgeld einfließen, dass bei prognostischer Betrachtung zum frühestmöglichen Entlassungszeitpunkt der für die Erreichung der Zwecksetzung nach Absatz 2 für erforderlich erachtete Gesamtbetrag des Überbückungsgeldes angespart sein wird. Im Übrigen gehen die genannten Bezüge in das Eigengeld des Gefangenen über" (vgl. LT-Drucks. 15/3565, S. 224). Allerdings ist § 46 nicht in der Fassung des Gesetzentwurfs der Landesregierung Gesetz geworden. Die nunmehr in § 47 NJVollzG enthaltene Regelung zum Überbückungsgeld geht in der jetzt gültigen Fassung auf einen Änderungsvorschlag des Ausschusses für Rechts und Verfassungsfragen und des Unterausschusses für Justizvollzug und Straffälligenhilfe zu § 46 des Regierungsentwurfs zurück (vgl. LT-Drucks. 15/4254, S. 41). Aus dem später veröffentlichten schriftlichen Bericht zu dieser Beschlussempfehlung des Ausschusses ergeben sich aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die von der Landesregierung beabsichtigte Beibehaltung der bisherigen Praxis zum Ansparen des Überbrückungsgeldes abgeschafft werden sollte. In der Begründung des Änderungsvorschlages zu § 46 heißt es lediglich: "Die zu Absatz 1 Satz 1 empfohlene Formulierung passt die verwendete Terminologie an die Regelung in § 44/1 an und enthält sprachliche Präzisierungen ... Die angefügten 'soweit'-Sätze dienen ebenfalls der Präzisierung: Sie sollen zum einen das Verhältnis zum Hausgeldkonto klarstellen und zum anderen ausdrücklich regeln, dass Gutschriften auf dem Hausgeldkonto nur bis zu einem von der Vollzugsbehörde festgesetzten Höchstbetrag (vgl. Absatz 2 Satz 2) vorzunehmen sind" (vgl. LT-Drucks 15/4325, S. 22).
Ebenso wenig wie das NJVollzG hiernach die Festsetzung niedrigerer Sparraten verbietet, lässt sich dem NJVollzG ein Anspruch Langzeitgefangener auf Festsetzung niedrigerer Sparraten entnehmen. Es gelten vielmehr die eingangs genannten Grundsätze zum Ermessen der Vollzugsbehörde bei dieser Frage fort.
bb) Die Strafvollstreckungskammer hat die von der obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zum Ansparen des Überbrückungsgeldes auch ohne Rechtsfehler auf den vorliegenden Fall angewandt. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss Bezug.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 1 Nr. 1 j, 63 Abs. 3, 65 GKG.
Ende der Entscheidung
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